Rituale

Seppuku – der ehrenvolle Tod


„Wenn die Ehre verloren ist, ist es besser zu sterben,
der Tod ist eine sichere Rettung vor der Schande.“


Seppuku ist der höfische Ausdruck der Selbstentleibung der Samurai. Es wird auch als Harakiri
(bürgerliche Bezeichnung), Kappuku, Tofuku oder Oibara bezeichnet. Das erste Seppuku wurde
1170 durch Minamoto Tametomo begangen. Minamoto Yoritomo erklärte 1191 Seppuku zum
ehrenvollen Ritual der Kriegerkaste. Ab diesen Zeitpunkt entwickelten sich immer genauere
Vorschriften für diesen Brauch. Es war nicht nur ein selbstmörderischer Akt, sondern legal und
würdevoll zugleich.
Im Jahre 1333 begingen 800 Gefolgsleute des Shogun in einer Höhle in der Nähe von Kamakura
Seppuku, um nicht in Gefangenschaft zu geraden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich etwas Neues,
Unheimliches entwickelt. Selbstmord wurde von nun an endgültig zur Ehrenpflicht der Samurai.
Es galt als Schande, in Kriegsgefangenschaft zu geraten.
Ein Krieger konnte durch Seppuku seine Vergehen sühnen, seine Irrtümer entschuldigen, großer
Schande entfliehen, seine Freunde rächen und zeigen, dass er keine Todesangst hatte. Es gab
verschiedene Anlässe für einen Samurai, Seppuku zu begehen.
Der wichtigste ist das Junshi, der „Selbstmord des glücklichen Abschieds“, der verübt wurde, um
seinen Herrn in das Jenseits zu folgen. Dies war zu Beginn der Tokugawa-Periode sehr verbreitet,
doch wurde bald verboten, da zu viele Menschenleben auf diese Weise verloren gingen. Das
letzte bekannte Junshi geschah 1912 durch den General Nogi beim Tod des Meiji-Kaisers.
Doch durch dieses Verbot kamen viele Samurai in einen unlösbaren Konflikt. Das Bushido
schrieb ihnen vor, bestehende Gesetze nicht zu brechen. Doch genauso war die „unbedingte
Bereitschaft zum Tod“ eine wichtige Regel des Bushido. Aus diesem Konflikt entstand das
Hagakure. Dies war die Aufforderung einiger hoch angesehener Samurai an den Fürsten
Tokugawa, zu den alten Traditionen zurück zu kehren. Die Sammlung dieser Schriften mahnte
davor, dass der Geist des Bushido ohne die „Bereitschaft zum Tod“, sterben werde. Das Verbot
blieb jedoch bestehen, konnte aber nicht alle Junshi verhindern. Weitere Gründe für Seppuku
waren Schande zu vermeiden oder zu sühnen, gegen Vorgesetzte oder deren Handlungen zu
protestieren oder, um nicht in Gefangenschaft zu geraden. In der Tokugawa-Periode wurde
Seppuku für Samurai als richterliches Urteil auferlegt, mit dem sie der ehrlosen Hinrichtung (z.B.
Erhängen oder Kreuzigen) entgehen konnten.
Der Methode des Seppuku liegt die uralte japanische Vorstellung zu Grunde, dass die Seele und
tiefere Empfindungen im Bauch (Hara) sitzen. Das Bauchöffnen bedeutet soviel wie: „Schaut
her, in diesem meinem letzten Augenblick sind meine Seele und meine Gedanken unbefleckt; ich
sterbe in Reinheit.“ Für dieses Ritual war ein übermenschlicher Mut nötig, aber genau das war für
die Kriegerkaste so anziehend. Der Rahmen wurde von einem Kreis offizieller und privater Zeugen gebildet. Der Todgeweihte
kam im weißen Gewand und seinem Sekundanten (Kaishakunin), einem Freund oder Verwandten
in den Raum. Der Samurai setzte sich im Seiza auf ein ausgebreitetes weißes Tuch, zog die Jacke
von den Schultern nach unten und schob die Ärmel unter die Unterschenkel, um nicht nach
hinten zu kippen. Mit freiem Oberkörper nahmt er nun das vor ihm liegende Wakizashi oder
Tanto, stieß es sich tief in die linke Bauchseite und zog es nach rechts hinüber. Dann drehte er
das Messer und zog es Richtung Herz nach oben. Letzteres kam aber nur selten vor, da die
meisten schon eher verbluteten. Das leichte Erheben des Körpers während des Vorganges sollte
zeigen, dass er nicht mehr an seinem Leben hing. Wenn der Delinquent den Kopf neigte, trennte
ihn der Sekundant durch einen Schlag mit dem Katana vom restlichen Körper. Dies erfolgte, um
das Leid des Sterbenden zu beenden. Nach einem kurzen Moment der völligen Ruhe erhoben sich
die Anwesenden und verließen den Raum mit feierlicher Miene. Die Taten des Toten waren
gesühnt und seine Ehre wieder hergestellt.
Samuraifrauen begingen Selbstmord, indem sie sich mit ihrem Dolch (Kaiken) eine der beiden
Halsschlagadern öffneten. Dabei trugen auch sie die Farbe weiß. Frauen töteten sich aber immer
erst nach dem Tod des eigenen Mannes.
Seppuku wurde aber auch aus falscher Überzeugung begangen. Viele Samurai oder Ronin kamen
mit ihrem Leben nicht zu recht und waren „zu feige zu leben“. Doch dies war gegen den Geist
des Bushido und hatte mit dem rituellen Seppuku nichts zu tun.

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